Wabi-Sabi: Die Ästhetik des Unperfekten

Sabine Neumann Sabine Neumann
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Shabby Chic, eklektischer Stilmix, Minimalismus, Industrial Style – alles Einrichtungstrends, die bereits seit Längerem brandaktuell sind, im Laufe der letzten Jahre zahlreiche Anhänger gefunden haben und immer mehr Häuser und Wohnungen zieren. Doch jetzt bekommen die etablierten modernen Looks Konkurrenz. Sie kommt aus Japan und nennt sich Wabi-Sabi. Wenn ihr euch jetzt fragt: Wabi was, bitte? Noch nie gehört, solltet ihr unbedingt weiterlesen denn der brandheiße Interior Trend aus Fernost wird in naher Zukunft mit Sicherheit auch die Wohnungen und Herzen trendbewusster Möbelrücker und Deko-Fans hierzulande im Sturm erobern. Wir zeigen euch, was dahinter steckt, was dazu gehört und wie ihr euer Zuhause im angesagten Wabi-Sabi Look einrichten könnt.

Was ist Wabi-Sabi?

Wabi-Sabi ist ein ästhetisches Konzept, das aus Japan stammt und bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Die Tradition basiert auf dem Zen-Buddhismus und stellt die Schönheit des Unvollkommenen in den Mittelpunkt. Als Einrichtungstrend hat Wabi-Sabi besonders in den letzten Jahren immer mehr Anhänger gefunden, da diese Methode sich sowohl am angesagten schnörkellosen Purismus als auch am authentischen Anderssein orientiert – zwei Bewegungen, die in unserer heutigen Gesellschaft eine immer größere Bedeutung annehmen. Im Wabi-Sabi geht es um Geradlinigkeit, reduzierte Formen, Bescheidenheit und Ordnung, um ein aufgeräumtes Wohn- und Lebensgefühl und das Verzichten auf überflüssigen Ballast jeglicher Art. Gleichzeitig steht Authentizität im Fokus des Interesses. Alles, was echt, einzigartig und unvergleichlich ist, wird besonders wertgeschätzt. Dabei rücken auch gerne Dinge in den Mittelpunkt, die nicht der gängigen Vorstellung von schön entsprechen, sondern vielleicht erst auf den zweiten Blick ihren besonderen Reiz enthüllen. Perfektion ist nicht mehr gefragt, stattdessen werden Fehler, Macken, Ecken und Kanten in Szene gesetzt, die einen Gegenstand oder ein Möbelstück einzigartig machen.

Wie funktioniert Wabi-Sabi?

In Japan verbindet man den Begriff Wabi-Sabi mit einem erfrischend einfachen, aber dennoch komfortablen Wohnen und Leben, völlig frei von der Last materieller Dinge. Damit passt dieses Konzept perfekt zur angesagten Minimalismus- und Simplify-Bewegung, die ebenfalls dafür plädiert, sich frei zu machen von überflüssigen Dingen und die Einfachheit zu zelebrieren. Wer sich für Wohnen im Wabi-Sabi-Stil entscheidet, sollte sich also bewusst machen, dass es sich dabei nicht bloß um einen Einrichtungstrend handelt, sondern um eine Lebenseinstellung. Es geht darum, sich von überflüssiger Fülle und jeglichem Ballast zu befreien und sich stattdessen auf die wenigen Dinge zu konzentrieren, die wir wirklich brauchen. Oberflächlicher Kommerz wird an den Rand gedrängt, es kommen nur noch Möbel und Accessoires ins Haus, die tatsächlich einen Nutzen haben und/oder uns mit einer ganz besonderen, einzigartigen Schönheit verzaubern. Das angestrebte Endergebnis: Mehr Ruhe und Harmonie und ein Bewusstsein für die wichtigen und die einfachen Dinge des Lebens, jenseits von materiellem Wert.

Die richtigen Farben

Die Farben, die im Wabi-Sabi eine Rolle spielen, sind neutral, subtil und dezent. Sie drängen sich nicht in den Vordergrund und wollen auch keine krassen Akzente setzen. Stattdessen zielen sie darauf ab, eine friedliche, ruhige und angenehme Atmosphäre zu kreieren. Besonders typisch sind erdige Naturtöne, die auf natürliche Weise Eleganz und Wärme ausstrahlen. Wie alles im Wabi-Sabi, präsentieren sich auch die Farben einfach, bescheiden, leise und unpretentiös, gerne auch mal abgewetzt, verwaschen oder mit Patina belegt. Auf Hochglanz gebrachtes, Lackiertes, Glitzerndes und Glänzendes wird man ebenso wenig finden wie grelle, knallige und pompöse Töne. Bei der Wahl der Farbpalette wird vielmehr auf eine harmonische Beziehung zur Natur geachtet. Sanfte Cremetöne, verschiedene Graunuancen, Sand, Beige, satte Brauntöne, gedecktes Grün und dezentes Blau geben im Wabi-Sabi den Ton an.

Möbel und Materialien

Bevor es um die Möbel selbst geht, sehen wir uns erst einmal die typischen Materialien dieses Lebens- und Einrichtungskonzepts an. Bei der Wahl sollte man nicht nur beachten, wofür man einen Gegenstand braucht und was seine Funktion ist, sondern auch, wie er sich im Laufe der Zeit verändern wird. Möbel und Accessoires sollten im Wabi-Sabi in Würde altern und möglichst langlebig sein. Schnell etwas kaufen und es dann ebenso rasch wieder entsorgen, steht im krassen Kontrast zu dem, was diese Bewegung ausmacht. Dementsprechend wird beim Kauf Wert auf Qualität und Beständigkeit gelegt. Es kommen sowohl beim Bau des Hauses als auch bei der Einrichtung bevorzugt natürliche Materialien zum Einsatz, die auch im Laufe der Jahrzehnte mit einer gewissen Patina noch gut aussehen und so einen ganz besonderen Charakter erhalten. Holz, Cortenstahl, Beton, Leder und Naturstein, zum Beispiel, sehr gerne mit Gebrauchsspuren wie abgewetzten Ecken, abgeblättertem Lack, Macken und Makeln, Rost und Patina. Was den Stil der Möbel angeht, ist Schnörkellosigkeit, Geradlinigkeit und Funktion Trumpf. Auf überflüssigen Chichi wird verzichtet, ebenso auf starke Muster, opulenten Dekor und ausufernde Details. Klare Silhouetten und organische Formen sind die Begleiter zu verwitterten, verzahnten Oberflächen mit Struktur und Charakter.

Accessoires im Wabi-Sabi

Wer sich für eine Einrichtung im Wabi-Sabi-Stil entscheidet, sammelt keinen Nippes und wählt die Accessoires, mit denen er sich umgibt, sorgsam aus. Nur weil etwas oberflächlich schön ist, schafft es noch lange nicht den Weg ins Herz und ins Haus. Bescheidene Natürlichkeit und einzigartige Authentizität sind auch hier die Schlagworte, die ins Gewicht fallen. Ein Stein mit einer unregelmäßigen Maserung findet ebenso Beachtung wie eine alte Holzschale mit einem Riss, schief gewachsene Zweige bekommen ihren Platz in einer alten Vase mit abgeplatztem Lack. Das Schlichte wird dabei stets dem Luxuriösen vorgezogen. Selbstgemachte Keramik- oder Tontöpfe dürfen durchaus Macken, Blasen und Unregelmäßigkeiten aufweisen und ersetzen gekaufte, auf vollkommene Perfektion getrimmte Accessoires. Neben Nachhaltigkeit, Natürlichkeit und Gelassenheit geht es beim Wabi-Sabi nämlich auch um Kreativität und Originalität.

Wabi-Sabi und bekannte Einrichtungstrends

Trendforscher sind davon überzeugt, dass die Wabi-Sabi-Welle auch hierzulande ein voller Erfolg werden wird. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Bewegung aus Japan vereint zahlreiche Aspekte mehrerer beliebter Stilrichtungen, die uns Deutsche bereits seit Jahren begeistern. So feiert Wabi-Sabi ebenso wie der Minimalismus und der skandinavische Einrichtungsstil Geradlinigkeit, Funktion und entspannte Schnörkellosigkeit, die sich von Überflüssigem und Überbordendem frei macht. Mit dem guten alten Shabby Chic und dem so beliebten Vintage-Trend hat Wabi Sabi wiederum die Liebe zum Unvollkommenen, zum Abgenutzten und Gebrauchten gemeinsam und mit der aktuellen Simplify-Bewegung den Hang zur Schlichtheit, zum bewussteren Konsum und dem Entsagen von Ballast und Materialismus. Die Ästhetik des Unperfekten und des Authentischen, der Einzigartigkeit und der Beständigkeit wird Experten zufolge also über kurz oder lang auch in unserem Kulturkreis Anerkennung finden – und zwar nicht nur als trendiger Einrichtungsstil, sondern als Tugend und Lebenseinstellung.

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